Frau Dr. Claudia Landerer ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Fachärztin für Psychosoziale und Psychosomatische Medizin in einer Gemeinschafts-Praxis in Wetzikon, s. www.bachtelpraxis.ch. Seit 2008 ist Claudia Landerer nebenamtlich Schulärztin an der Kantonsschule Zürcher Oberland. Ab dem Herbstsemester 2022 verabschiedet sich Claudia Landerer aus der Arbeit als Schulärztin der KZO. Zu diesem Anlass führten wir ein Interview, die Fragen stellten Ulrike Held und Eva Furrer (Elternvereinigung KZO).

Claudia, wenn du zurückschaust auf deine Jahre als Schulärztin an der KZO, was hat sich im Laufe der Jahre am meisten verändert?
CL: Ich glaube die Menge oder die Häufigkeit von psychosozialen Problemen der Schülerinnen und Schüler und natürlich auch die Offenheit gegenüber der Thematik Homosexualität und Transgender. Dafür scheinen Drogen- und übermässiger Alkoholkonsumkonsum weniger ein Problem darzustellen, nicht zuletzt, da die Schule gute Präventionsangebote hat.
Wie bist du dazu gekommen, Schulärztin an der KZO zu werden?
CL: Ich wurde vom damaligen Rektor, Dieter Schindler, mit dem ich auch privat befreundet war, angefragt, ob ich die Nachfolge meiner Kollegin Katharina Pfenninger aus Wald antreten wolle. Jugendmedizin und speziell auch Jugendgynäkologie ist ein Bereich, der mich schon länger interessierte und in dem ich mich auch spezifisch und kontinuierlich weiterbildete. Ich spürte, dass ich einen guten Draht zu Jugendlichen habe.
Worin siehst du die Herausforderungen für eine schulärztliche Betreuung in den kommenden Jahren?
CL: Ich denke, dass das frühzeitige Erkennen und eine angepasste Intervention und Unterstützung i.Z. mit psychosozialen Problemen eine zunehmende Herausforderung darstellt da auch immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund ins Gymi kommen. Auch der Einfluss der Sozialen Medien mit ihren Influencer*innen sollte gut im Auge behalten und immer wieder thematisiert werden.
Was war dein fröhlichstes und dein traurigstes Erlebnis in deiner Zeit als Schulärztin, von dem du hier erzählen kannst?
CL: Sehr gefreut hat mich letztes Jahr, als ein grossgewachsener Schüler einer 3. Klasse nach meiner Bio-Lektion zu Sexualität, die ich bei allen Parallell-Klassen abhalte, mir beim Verlassen des Schulzimmers nacheilte und sich bedankte für meine Ausführungen und meine authentische Art der Vermittlung meiner Antworten auf Fragen der SuS. Er meinte im Vorfeld, eigentlich schon alles gewusst zu haben und war dann ganz erstaunt, wieviel interessante Neuigkeiten er noch von mir erfuhr. Dass er mir dies auch noch so spontan mitteilte hat mich schon sehr gefreut und auch bestätigt, dass diese Lektionen trotz Internet mit Dr. Google und häufig mehrfacher Aufklärung zu früheren Zeitpunkten immer noch sinnvoll sind und ihre Berechtigung haben.
Traurige Erlebnisse sind immer wieder die Tatsachen, dass Schüler*innen mit diversen Problemen trotz massiver Unterstützung und Entgegenkommen durch die Schule, mich und weiteren Hilfestellungen, die Anforderungen nicht erfüllen und die Schule verlassen müssen.
Wie wird die Schulärztin an der KZO wahrgenommen? Wie wird sichergestellt, dass die Schülerinnen und Schüler über das Angebot informiert werden? (Hier am besten nochmal auf die Sprechstunden hinweisen, wie sie momentan angeboten werden, und wo.)
CL: Ich stelle mich und mein Angebot jedes Jahr bei allen 1. und 3. Klassen nach den Herbstferien persönlich vor. Weiter biete ich jeden Donnerstag eine halbe Stunde über Mittag eine offene Sprechstunde an der Schule an im Besprechungszimmer H1 29, neben dem Zimmer 1C. Unter Hilfe und Beratung im Intranet auf der Website der Schule findet man meine Koordinaten. Trotzdem hat mir letztes Jahr eine Maturandin, in deren Klasse gehäuft Essstörungen vorkamen, gesagt, dass sie nicht gewusst hätte, dass es an der KZO eine Schulärztin gebe und wie man meine Hilfe in Anspruch nehmen könne. Wichtig ist auch, dass die Lehrpersonen von meiner Funktion Kenntnis haben und an mich verweisen, wenn sie merken, dass jemand Hilfe braucht. Es stellt sich schon die Frage, ob und wie ich noch mehr präsent sein sollte an der Schule. Gerne nehme ich Anregungen entgegen.
Wenn Eltern von KZO Schülerinnen oder Schülern ein schulbezogenes gesundheitliches Problem mit ihrem Kind sehen, könnten sie dich auch kontaktieren?
CL: Wenn sie einen Haus- oder Kinderarzt haben sollte immer dieser primär konsultiert werden. Mein Angebot ist subsidiär, d.h. wenn sie aus einem Grund nicht weiterkommen, können Sie mich als Bindeglied bzw. Anlaufstelle zwischen Schule und Schüler*in konsultieren. Ich habe eine beratende Triage-Funktion, mache aber selber keine Abklärungen oder Therapien.
Was hast du während der Coronazeit für Erfahrungen gesammelt und hat es in diese Zeit eine Zunahme der Anfragen nach schulärztlichen Konsultationen gegeben?
CL: Ja, es gab deutlich mehr SuS mit emotionalen Problemen, die sich durch die Kontakt-Beschränkungen akzentuierten.
Wie ist deine Nachfolge geplant?
CL: Ich habe meine altershalber geplante Aufgabe meiner Schularzttätigkeit schon früh der Schulleitung mitgeteilt und ihnen die Möglichkeit der Übernahme meiner Funktion durch meine jüngere Praxis-Kollegin angeboten, sofern sie die Stelle nicht ausschreiben wollten.
Sonja Gadient Hotz hat mich in der Folge ein Jahr lang zu allen wichtigen Terminen begleitet, damit sie einen Einblick in die Schularzttätigkeit bekommen und sich so entscheiden konnte, ob sie die Aufgabe übernehmen wollte. Die Schulleitung hat dieses Angebot gerne angenommen und so wird sie mich ab dem neuen Schuljahr, d.h. ab Sommer 2022 ablösen. Bis Ende Kalenderjahr bleibe ich noch in der Praxis und kann sie bei Bedarf auch noch unterstützen. Sicher wird sie im Verlauf ihren eigenen Stil entwickeln und ev. neue Angebote einführen. Ich hoffe, dass ihr die Arbeit ebenso viel Freude machen wird, wie es für mich war. Die KZO pflegt einen sehr wohlwollenden Umgang mit allen involvierten Kreisen, sodass eine produktive, befriedigende Zusammenarbeit möglich ist.
Vielen herzlichen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!